Zinswende und Neubaukrise:

Wie Berlins Immobilienmarkt ins Stocken gerät

Veröffentlichung: 09. Dez. 2025
Historisches Backsteingebäude mit Türmchen und kunstvollem schmiedeeisernen Tor vor hellem Himmel.
Der Immobilienmarkt in Berlin und Brandenburg steht vor einer doppelten Herausforderung: Die Zinswende – sprunghaft gestiegene Zinsen der Europäischen Zentralbank – verteuert Finanzierungen und schreckt Käufer ab. Gleichzeitig befindet sich der Wohnungsneubau in der Krise, da hohe Baukosten und Unsicherheiten Projekte zum Erliegen bringen. Die Folgen sind in der Hauptstadtregion deutlich spürbar: Verkäufe gehen zurück, Preise kommen unter Druck, während Mieten weiter steigen. In diesem Artikel beleuchten wir faktenbasiert die Entwicklungen von 2023 bis 2025 – von Zinspolitik und Kreditvergabe über Preis- und Transaktionszahlen bis hin zu Bauaktivität, besonders betroffenen Marktsegmenten und den Auswirkungen für alle Akteure. Außerdem schauen wir auf politische Gegenmaßnahmen und Förderprogramme, die dem Negativtrend entgegenwirken sollen.
EZB‒Zinspolitik 2023–2025: Teure Kredite bremsen Käufer aus
Nach jahrelanger Niedrigzinsphase läutete die EZB ab 2022 eine drastische Zinswende ein. Der Leitzins stieg binnen kurzer Zeit von 0 % auf zeitweise über 4 %, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Damit verteuerten sich Immobilienfinanzierungen massiv: Bauzinsen von rund 1 % gehörten der Vergangenheit an – stattdessen lagen typische zehnjährige Darlehenszinsen 2023 bei etwa 3,5–4 %. Konkret bedeutet das für Käufer eine drastisch höhere Monatsrate: Ein Darlehen von 500.000 € kostet bei 4 % Zins + Tilgung rund 2.500 € im Monat, während es bei 1 % Zins früher nur etwa 1.250 € gewesen wäre. Strengere Kreditvergaben: Banken reagierten auf das neue Zinsumfeld mit Zurückhaltung. Viele Institute verschärften ihre Vergabestandards – höhere Eigenkapitalquoten und strengere Bonitätsprüfungen wurden zur Norm. Dies führte zu einem Einbruch beim Neugeschäft mit Immobilienkrediten: Anfang 2023 sank das Baufinanzierungsvolumen laut SCHUFA-Daten um über 40 % gegenüber dem Vorjahr. Käufer, die sich 2021 ein Eigenheim noch leisten konnten, mussten 2023 oft passen. Entsprechend brach die Nachfrage nach Krediten regelrecht ein, da sich viele Haushalte die höheren Raten nicht mehr leisten konnten oder auf fallende Preise hofften. Verändertes Käuferverhalten: Die Verunsicherung war groß – der Markt ging in eine Wartestellung. Potenzielle Käufer verschoben ihre Pläne in der Hoffnung auf sinkende Immobilienpreise oder niedrigere Zinsen. Gleichzeitig hielten viele Eigentümer an ihren Preisvorstellungen fest und waren nicht bereit, hohe Abschläge zu akzeptieren. Diese Patt-Situation zwischen Käufer- und Verkäuferseite trug zur Lähmung des Marktes bei. „Der Berliner Immobilienmarkt ist in Wartestellung gegangen“, konstatierte der Gutachterausschuss Berlin bereits 2023, denn Verkäufer hofften weiter auf Höchstpreise, während Käufer auf Rabatte spekulierten. Institutionelle Investoren zogen sich ebenfalls zurück – etwa der Wohnungsriese Vonovia stoppte Projekte, Projektentwickler verkauften Grundstücke und Banken finanzierten neue Vorhaben nur zögerlich. Erst im Laufe von 2024 zeichnete sich leichte Entspannung ab: Die EZB pausierte ihre Zinserhöhungen, und ab Ende 2024 gab es erste zaghafte Zinssenkungen. Im Sommer 2025 lag der Leitzins wieder bei rund 2 %, was die Bauzinsen etwas sinken ließ (auf ca. 3–3,5 % für zehnjährige Kredite). Mit dem stabilisierten Zinsumfeld kehrten einige Käufer zurück auf den Markt. Banken agierten wieder etwas flexibler und akzeptierten teils geringeres Eigenkapital. Dennoch bleiben die Finanzierungskosten deutlich höher als in der Nullzins-Ära – und das prägt den Markt bis heute.
Preise und Transaktionen: Abkühlung nach dem Boom
Lange kannte der Trend nur eine Richtung: nach oben. Über ein Jahrzehnt stiegen in Berlin die Immobilienpreise rasant, befeuert durch billiges Geld, Investoreninteresse und Wohnungsknappheit. Mitte 2022 drehte sich jedoch der Wind. Seitdem sinken die Preise in vielen Segmenten leicht, oder stagnieren zumindest. Vor allem 2023 markierte einen Wendepunkt: Nach den vorläufigen Zahlen des Berliner Gutachterausschusses lag das Preisniveau für Wohnimmobilien 2023 erstmals unter dem Vorjahr. Besonders deutlich zeigte sich die Korrektur bei Eigentumswohnungen. Laut Gutachterausschuss sank der mittlere Kaufpreis von Wohnungen in Berlin 2023 auf rund 5.300 € pro Quadratmeter – etwa 6 % weniger als 2022. Bestehende Eigentumswohnungen verbilligten sich im Schnitt um etwa 5–10 %, wie erste Quartalsauswertungen zeigten. Interessant: Neubau-Eigentumswohnungen hielten ihr Preisniveau etwas besser – hier wurden 2023 im Durchschnitt sogar leicht höhere Preise erzielt (+5 % im 1. Quartal), was jedoch an vereinzelten Luxusverkäufen lag. Insgesamt pendelten sich Neubau-Wohnungspreise im Jahresverlauf unter dem Niveau von 2022 ein. Auch Eigenheime waren nicht immun: Bei Ein- und Zweifamilienhäusern verzeichnete der Gutachterausschuss ebenfalls einen Preisrückgang, nachdem diese im vorangegangenen Boomjahr 2022 noch um ~7 % im Mittel zugelegt hatten. Historischer Einbruch bei Verkäufen: Noch drastischer als die Preise entwickelten sich die Transaktionszahlen. 2023 wechselten in Berlin lediglich 17.451 Immobilien den Besitzer, ein Rückgang von 19 % gegenüber dem schon schwachen Vorjahr. Das war der tiefste Stand seit Jahren. Zum Vergleich: 2021 gab es noch über 27.000 Verkäufe; 2022 dann ~21.700 (-21 %) und 2023 nochmals fast ein Fünftel weniger. Das Umsatzvolumen stürzte 2023 sogar um 29 % ab auf rund 12,4 Mrd. € – ein Indiz, dass vor allem teure Objekte und Investitionsimmobilien seltener gehandelt wurden. Der Gutachterausschuss spricht von einer „starken Zurückhaltung“ am Markt und einem bremsenden Effekt hoher Zinsen und Baukosten. Viele Käufer warteten ab, Verkäufer reduzierten ihre Preise nur zögerlich. Erste Belebung in 2024: Im Jahr 2024 kam der Markt wieder etwas in Schwung. Dank stabilisierter Zinsen und einer „realistischeren Preisfindung“ zogen die Verkaufszahlen in Berlin wieder an. Etwa 20.669 Kauffälle wurden 2024 registriert – ein Plus von 18 % gegenüber dem Tiefpunkt 2023. Der Umsatz stieg um 19 % auf knapp 14,7 Mrd. €. Dennoch liegt die Aktivität damit weiterhin leicht unter dem Niveau von 2022. Die Erholung betraf fast alle Segmente: Wohnungs- und Hausverkäufe nahmen zu, mit einer Ausnahme: Grundstücke für Gewerbebauten blieben auf Rekordtief (hier gab es 2024 nur 25 Verkäufe, -26 %). Auch der Markt für Büro- und Geschäftshäuser blieb verhalten (Fallzahl -1 %). Die Preise stabilisierten sich weitgehend – der Berliner Bodenrichtwert für Mehrgeschoss-Wohnbauland blieb 2024 unverändert zum Vorjahr, bei Einfamilienhaus-Grundstücken sanken die Werte moderat um ca. 5 %. Kurz gesagt: Nach dem Preisrutsch Anfang 2023 (z.B. -6 % bei Wohnungen) war der Boden erreicht, und seither bewegen sich die Preise seitwärts. Experten berichten von „ausgehandelten Preisabschlägen“ gegenüber den Spitzenpreisen von 2021, die Verkäufer inzwischen akzeptieren, etwa wenn energetische Sanierungen anstehen. Doch einen echten Crash gab es nicht – zu knapp bleibt das Angebot in Berlin.
Neubaukrise in Berlin/Brandenburg: Einbruch bei Baugenehmigungen und Bautätigkeit
Parallel zur Kaufzurückhaltung trifft die Region eine Neubaukrise historischen Ausmaßes. Seit Jahren schon ging die Zahl der Baugenehmigungen in Berlin tendenziell zurück – doch 2023/2024 beschleunigte sich dieser Abwärtstrend dramatisch. Laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg wurde im Jahr 2024 in Berlin nur noch der Bau von rund 9.800 Wohnungen genehmigt, gegenüber ca. 15.900 im Vorjahr. Das entspricht einem Einbruch von 38,5 % – der niedrigste Stand seit 2010. In Brandenburg bot sich ein ähnliches Bild: Hier sank die Genehmigungszahl 2024 um weitere 19,5 % auf nur noch ca. 9.100 Wohnungen. Damit erlebte Berlin bereits das achte Jahr in Folge einen Rückgang der genehmigten Wohnungen (Brandenburg das dritte). Zur Veranschaulichung die Entwicklung der Baugenehmigungen in der Hauptstadtregion: Region Genehmigte Wohnungen 2023 Genehmigte Wohnungen 2024 Veränderung Berlin ca. 15.900 9.800 –38,5 % Brandenburg ca. 11.300 9.100 –19,5 % (Stand jeweils Gesamtjahr) Diese Zahlen zeigen: Viele Neubauprojekte wurden auf Eis gelegt. Wulff Aengevelt, Chef des gleichnamigen Immobilienmaklers, berichtet, dass die Branche 2022/23 den „Pauseknopf“ gedrückt habe. Zu groß waren die Unsicherheiten – explodierende Bau- und Energiekosten, hohe Zinsen und eine schwache Konjunktur ließen die Kalkulation vieler Vorhaben kippen. Die Folge: Es klaffte eine „Lücke zwischen den Preisen, für die Unternehmen bauen können, und denen, die Käufer zu zahlen bereit sind“. Bautätigkeit im Tiefflug: Zwar wurden in Berlin 2023 noch rund 15.965 Wohnungen fertiggestellt – eine ähnliche Größenordnung wie im Vorjahr. Doch dieser Wert schönt die Lage, denn er speist sich aus früheren Boomjahren. Schon 2024 sank die Zahl der Fertigstellungen leicht auf 15.362 Wohnungen (–3,8 %). Vor allem Wohnungsneubau im Bestand (Dachausbauten, Umbauten) brach ein (–45 %). Die Neubauleistung blieb mit ca. 14.600 neuen Wohnungen hingegen konstant auf Vorjahresniveau – ein letzter Nachhall alter Projekte. Doch da kaum neue Bauvorhaben nachrücken, droht ab 2025 ein stärkerer Rückgang der Fertigstellungen. In Brandenburg wurden 2024 etwa 8.700 neue Wohnungen gezählt (+0,6 %), was ebenfalls auf früher begonnene Bauvorhaben zurückgeht. Segment-spezifische Krise: Besonders betroffen ist der privat finanzierte Mietwohnungsbau. „Ohne Endabnehmer wird derzeit praktisch kaum gebaut“, berichtet Susanne Klabe vom BFW Landesverband Berlin-Brandenburg. Investoren zögern, Neubauprojekte anzukaufen – also errichten vor allem landeseigene Wohnungsunternehmen Wohnungen, die sie selbst vermieten werden. Freifinanzierte Bauträger hingegen stoppen Projekte mangels Käufern und aufgrund der unsicheren Marktlage. Es drehen sich viel weniger Kräne, als Berlin eigentlich bräuchte. Laut ifo-Geschäftsklima hat sich die Stimmung unter Wohnungsbauunternehmen 2023 auf einen Tiefpunkt zubewegt, viele korrigierten ihre Erwartungen weiter nach unten. Bauunternehmen klagen zudem über drastisch verlängerte Genehmigungsprozesse – die durchschnittliche Projektdauer in Berlin stieg auf 32 Monate (2010 waren es 17 Monate). Diese Bürokratie bremst den Neubau zusätzlich. Die Auswirkungen sind bereits sichtbar: Berlin verfehlt sein Neubauziel von 20.000 Wohnungen pro Jahr deutlich. Der Wohnungsbestand wächst nur minimal – 2024 um 0,7 %. Dabei steigt der Bedarf: Die Bevölkerung Berlins wächst weiter (Prognose +5 % bis 2040). Schon jetzt fehlen laut Senat mindestens 100.000 Wohnungen. Die Neubaukrise verschärft somit die Wohnungsnot und erhöht den Druck auf den Mietmarkt.

Betroffene Marktsegmente: Wer spürt die Flaute am stärksten?
Die Zins- und Neubaukrise trifft verschiedene Teilmärkte unterschiedlich:
  • Eigentumswohnungen (Bestand): Hier kam es zu merklichen Preisabschlägen. Wie erwähnt, sanken die mittleren Preise etwa um 5–6 % in 2023. Gerade unsanierte Altbauwohnungen mit schlechtem energetischen Zustand lassen sich „nur noch mit Preisnachlässen verkaufen“. Kaufinteressenten haben wieder etwas Verhandlungsspielraum, etwa bei Objekten mit Renovierungsstau. Die Verkaufszahlen von Eigentumswohnungen brachen zeitweise drastisch ein (Q1 2023: –39 % ggü. Vorjahr), erholten sich 2024 aber teilweise wieder. Neue Eigentumswohnungen wurden 2023 kaum noch verkauft (–75 % Fallzahl im Neubausegment), da Käufer angesichts hoher Zinsen zurückhaltend blieben und Investoren sich zurückzogen.
  • Neubauprojekte: Neubau-Eigentumswohnungen in Top-Lagen konnten Preissteigerungen verzeichnen (Luxussegment), fanden aber wenig Absatz. Viele Projekte wurden ganz gestoppt. Baugrundstücke verloren an Wert – Bauland für Einfamilienhäuser verbilligte sich 2023 um bis zu 10–15 %, in renditeorientierten Lagen (z.B. Grundstücke für Geschosswohnungsbau, Büros, Handel) gaben die Bodenrichtwerte sogar um 10–30 % nach. Reine Bauträger, die auf Endverkäufe angewiesen sind, gerieten unter Druck. Einige versuchten, Projekte an kommunale Wohnungsfirmen oder Genossenschaften abzutreten, andere stellten Insolvenzanträge.
  • Bestands-Mietshäuser: Zinshäuser und Wohnanlagen, einst begehrte Anlageobjekte, verloren an Attraktivität. Durch höhere Finanzierungskosten stiegen die erforderlichen Renditen – was nur über niedrigere Kaufpreise zu erreichen war. Laut Gutachterausschuss sanken die Werte von Berliner Mietwohnhäusern 2023 spürbar, Verkäufe gingen um 27 % zurück, der Umsatz brach um die Hälfte ein. Für renditeorientierte Investoren lohnen sich Deals oft erst nach deutlichen Preisabschlägen oder bei steigenden Mieten. Viele potenzielle Verkäufer zögerten jedoch, zu stark reduzierten Preisen zu veräußern. Entsprechend herrschte in diesem Segment weitgehend Funkstille. 2024 kam es zwar zu einzelnen Transaktionen (die Zahl verkaufter Wohnhäuser stieg wieder um ~10 %), aber das Niveau bleibt niedrig.
  • Einfamilienhäuser: Das Eigenheim-Segment ist zweigeteilt. Einerseits bleibt das Interesse von Familien am eigenen Haus hoch, gerade im Umland von Berlin. Andererseits wirken sich die hohen Zinsen hier besonders aus, da Familien oft größere Darlehen benötigen. 2023 sank die Zahl der verkauften Ein-/Zweifamilienhäuser deutlich (Umsatz –22 %). Preislich halten sich begehrte Lagen noch wacker, während in Randlagen oder bei renovierungsbedürftigen Häusern Nachlässe nötig sind. In Berlin selbst ist das Angebot an Einfamilienhäusern begrenzt, sodass Preise relativ stabil blieben, während in Brandenburg leistbare Häuser wieder vermehrt Käufer fanden, die in der Stadt keine passende Finanzierung stemmen konnten.
Zusammengefasst litten Neubauwohnungen und Zinshäuser am stärksten unter dem Zinsanstieg (kaum Käufer, Preisrückgänge bis ~10–20 %), während selbstgenutzte Eigentumswohnungen und Häuser moderat nachgaben (–5 % bis –10 %). Mietwohnungen hingegen erlebten keinen Preisverfall – im Gegenteil, die Nachfrage nach Mietwohnungen stieg weiter an, da viele Haushalte mangels Kaufalternative auf den Mietmarkt angewiesen blieben.

Auswirkungen auf Vermieter, Eigentümer, Investoren und Kaufinteressenten
Die beschriebenen Entwicklungen wirken sich unterschiedlich auf die Akteursgruppen des Immobilienmarkts aus:
  • Eigentümer und Verkäufer: Viele Immobilienbesitzer sehen sich mit gesunkenen Marktwerten konfrontiert – zumindest relativ zum Peak 2021/22. Wer nicht verkaufen muss, hält sein Objekt oft zurück, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Verkäufer, die dennoch aktiv wurden, mussten 2023 teils spürbare Preisnachlässe gewähren, um Käufer zu finden. Besonders Privatanbieter mit überhöhten Erwartungen saßen länger auf ihren Angeboten. Positiv für Eigentümer: Die meisten hatten in der Niedrigzinsphase günstig finanzierte und lange festgeschriebene Kredite, sodass es kaum zu Notverkäufen kam. Problematisch könnte es jedoch für jene werden, deren Zinsbindung in diesen Jahren ausläuft – eine Anschlussfinanzierung ist nun viel teurer. Einige Eigentümer versuchen daher vorab zu tilgen oder Verkäufe zu erwägen, um der Schuldenfalle zu entgehen. Bei vermieteten Objekten stehen Vermieter vor der Frage, ob sich Modernisierungen (z.B. energetische Sanierung, Heizungstausch) noch lohnen, da die Kosten stark gestiegen sind und Mieterhöhungen reguliert werden.
  • Vermieter und Mieter: Für Vermieter bedeutet die Neubau- und Zinskrise paradoxerweise einerseits geringere Konkurrenz durch neue Wohnungen, andererseits jedoch strengere Vorgaben (Stichwort Energieeffizienz) und steigende Instandhaltungskosten. Mieter spüren vor allem die Folgen des knappen Wohnungsangebots. Da weniger Menschen ins Eigenheim wechseln, bleibt die Nachfrage nach Mietwohnungen enorm. Die Mieten steigen ungebremst: 2023 legten die Angebotsmieten in Berlin um fast 20 % im Jahresvergleich zu, und zum Jahreswechsel 2024 nochmals um gut 12 %. Im Mittel wurden 2024 in Berlin knapp 15,80 €/m² verlangt – nach München der zweithöchste Wert in Deutschland. Bestandsmieten sind durch Mietspiegel & Co. gedeckelt, aber bei Neuvermietungen oder Modernisierung greifen die Deckel oft nicht. Entsprechend rechnet der Berliner Mieterverein „trotz Rückgangs der Verkäufe nicht mit einer Entspannung der Mieten“. Für viele Normalverdiener bleibt das Wohnen in Berlin kaum erschwinglich, was die soziale Spannung erhöht. Vermieter können höhere Mieteinnahmen erzielen, sehen sich aber politischem Druck gegenüber, z.B. durch verlängerte Mietpreisbremse und Diskussionen um Mietenstopp.
  • Investoren und Projektentwickler: Institutionelle Investoren (Fonds, Versicherungen, Wohnungsunternehmen) fahren ihre Investitionen zurück. Projektentwickler kämpfen mit Kostensteigerungen und Finanzierungsschwierigkeiten – zahlreiche Bauprojekte wurden verschoben oder abgesagt. Einige Entwickler verzeichneten Verluste; in Einzelfällen kam es zu Firmeninsolvenzen in der Branche. Internationale Investoren ziehen sich aus dem Berliner Markt zurück oder fordern hohe Risikoprämien. Allerdings ergibt sich für opportunistische Investoren auch eine Chance: Gesunkene Preise und notgedrungene Verkäufe (z.B. Grundstücke von in Schieflage geratenen Bauträgern) bieten Einstiegsmöglichkeiten – vorausgesetzt, man hat ausreichend Eigenkapital und glaubt an die langfristige Stärke des Berliner Marktes. Generell aber gilt: Sicherere Anlageklassen (wie Anleihen) sind durch die Zinswende wieder attraktiver geworden, wodurch Immobilieninvestments an Relativreiz verlieren. Das spürt vor allem der Gewerbeimmobilienmarkt, aber auch im Wohnsegment verlangen Investoren nun höhere Renditen.
  • Kaufinteressenten / Selbstnutzer: Familien und Privatleute, die vom Mieter- ins Eigentümerlager wechseln wollen, befinden sich in einer Zwickmühle. Die gestiegenen Zinsen reduzieren ihre Kaufkraft erheblich. Beispiel: Eine Familie mit 1.500 € Budget im Monat konnte vor zwei Jahren noch ~400.000 € finanzieren, heute sind es vielleicht nur 250.000 €. Viele Haushalte verschieben den Traum vom Eigenheim. Manche weichen ins günstigere Umland aus – in Brandenburg verzeichneten Makler teils einen Nachfrageschub für Reihenhäuser und Bestandsimmobilien, die in Berlin unerschwinglich wären. Allerdings sind auch dort die Finanzierungskosten spürbar. Für Erstkäufer ist die Situation besonders schwierig: Ihnen fehlen oft hohe Eigenkapitalpolster, während Banken konservativer kalkulieren. Staatliche Förderprogramme (siehe unten) bieten zwar Unterstützung, greifen aber nur für einen kleinen Kreis. Positiv für potentielle Käufer: die Zeiten von Bieterschlachten und 50 Besichtigungsterminen pro Wohnung sind vorbei. Das Angebot auf Immobilienportalen ist 2024 etwas gewachsen, die Preise sind verhandelbarer, und in einigen Fällen konnten Käufer Rabatte von ~10 % gegenüber dem ursprünglichen Angebotspreis erzielen. Wer über genug Eigenmittel verfügt, findet nun wieder Chancen, insbesondere bei Objekten, die länger am Markt sind. Eine gute Vorbereitung (Finanzierungszusage, marktgerechtes Gebot) ist aber weiterhin essenziell, denn erstklassige Immobilien in Top-Lagen sind trotz allem schnell vergriffen.
Gegenmaßnahmen: Was tun Politik und Branche?
Angesichts der Wohnungsmarktkrise haben Bund, Länder und die Immobilienwirtschaft verschiedene Maßnahmen ergriffen, um gegenzusteuern:
  • Förderkredite für Familien: Die Bundesregierung hat 2023 das KfW-Programm „Wohneigentum für Familien“ gestartet. Familien mit Kindern und begrenztem Einkommen können zinsgünstige Kredite bis zu 240.000 € für den Neubau eines klimafreundlichen Eigenheims erhalten. Seit Oktober 2023 gibt es auch Förderdarlehen für den Kauf von Bestandsimmobilien (Programm KfW 308). Diese Kredite sollen jungen Familien den Eigentumserwerb trotz höherer Zinsen ermöglichen. Allerdings sind die Bedingungen anspruchsvoll (Einkommensgrenzen, energetische Standards), sodass die Nachfrage begrenzt blieb. In Berlin etwa wurden im ersten Programmjahr nur wenige Hundert Anträge gezählt.
  • Regionale Eigenheimförderung: Auch Berlin plant ein eigenes Zuschuss- bzw. Darlehensprogramm. Die neue Landesregierung aus CDU und SPD möchte ab 2025 jährlich 41 Familien mit Wohneigentumsdarlehen unterstützen – insgesamt 17 Mio. € sind dafür pro Jahr vorgesehen. Über die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) sollen förderfähige Familien Kredite bis 525.000 € erhalten können. Der Fokus liegt auf Normalverdienern, die ohne Hilfe keine Wohnung kaufen könnten. Kritiker monieren jedoch, dass ein solches Programm mit nur 41 geförderten Haushalten pro Jahr „viel zu wenige erreicht“ und symbolisch bleibt. In Brandenburg existieren vergleichbare Förderungen (z.B. Zuschüsse für selbstgenutztes Wohneigentum), die jedoch ebenfalls nur begrenzte Mittel haben.
  • Neubauförderung und Abschreibungen: Um den Neubau anzukurbeln, hat der Bund Anfang 2023 eine degressive Abschreibung für Mietwohnungsneubau eingeführt. Investoren können nun in den ersten vier Jahren jeweils 7 % der Baukosten steuerlich abschreiben (zusätzlich zur regulären AfA). Diese „Super-AfA“ soll Projekte wirtschaftlicher machen. Zudem wurden KfW-Programme für serielles Bauen und für klimafreundlichen Neubau mit Zuschüssen und günstigen Zinsen ausgestattet. Allerdings sind viele Fördertöpfe schnell ausgeschöpft oder verpuffen angesichts der Baukostenhöhe. Die Bauwirtschaft fordert daher weitere Entlastungen, etwa eine zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer auf Wohnungsbau und höhere Fördervolumina.
  • Baubeschleunigung und Bürokratieabbau: Sowohl in Berlin als auch bundesweit laufen Initiativen, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu straffen. In Berlin trat Ende 2024 das „Schneller-Bauen-Gesetz“ in Kraft, das Behördenverfahren beschleunigen soll. 2025 plant der Senat ein Paket „Einfach Bauen Berlin“, das bestimmte technische Standards senken will (z.B. Verzicht auf Tiefgaragen, geringere Dämmvorgaben in Kellern). „Wir müssen zurück zu Standards von Maß und Mitte“, fordert Susanne Klabe vom BFW, um Baukosten zu senken. Bundesbauministerium und Länder haben im Oktober 2025 das sogenannte Bauturbo-Gesetz beschlossen, das u.a. baualter Beschlüsse schneller umsetzbar machen und Aufstockungen erleichtern soll. Ob diese Maßnahmen zügig greifen, bleibt abzuwarten – die Branche mahnt Geduld an.
  • Wohnungsunternehmen und Kommunen: Städtische Wohnungsbaugesellschaften (wie HOWOGE, degewo in Berlin) erhöhen auf politischen Druck ihre Bautätigkeit. Berlins landeseigene Unternehmen sollen 2024/25 jeweils rund 6.500 Wohnungen pro Jahr fertigstellen – eine Zahl, die erstmals seit Jahren wieder erreicht werden könnte. Zudem prüfen Städte alternative Wohnformen (Aufstockung von Bestandsgebäuden, Umbau von Büroleerstand in Wohnungen) und unterstützen Genossenschaften beim Bauen. In Brandenburg profitieren Landkreise mit günstigem Bauland (z.B. Barnim) vom Umland-Boom – hier wurden 2024 trotz der Krise über 1.500 Wohnungen genehmigt, der größte Zuwachs im Land. Die Landeshauptstadt Potsdam ist Spitzenreiter bei den Genehmigungen unter den kreisfreien Städten (knapp 800 neue Wohnungen 2024), was zeigt, dass in attraktiven Lagen weiterhin Investitionen getätigt werden.
  • Mietmarkt-Entlastung: Um die Symptome der Wohnungsnot zu lindern, hat der Bund das Wohngeld deutlich ausgeweitet (mehr Berechtigte und höhere Zuschüsse seit 2023). Berlin verlängert die Mietpreisbremse bis 2029 und plant ein qualifiziertes Mietenmonitoring, um gegen illegale Mieterhöhungen vorzugehen. Diese Eingriffe helfen Mietern kurzfristig, können aber das Grundproblem – zu wenig Neubau – nicht lösen.

Fazit
Berlin und Brandenburg erleben durch Zinswende und Neubaukrise eine spürbare Abkühlung am Immobilienmarkt. Nach Jahren des Booms sind Preise erstmals leicht rückläufig und die Zahl der Transaktionen ging zeitweise drastisch zurück. Käufer und Investoren üben sich in Zurückhaltung, während Verkäufer sich an das neue Niveau anpassen müssen. Zugleich verschärft der Einbruch im Neubau die Wohnungsknappheit: Genehmigungen sind auf einem historischen Tiefstand, und die wenigen fertiggestellten Wohnungen reichen bei Weitem nicht, um die Nachfrage zu decken. Für Mieter bedeutet das steigende Mieten und kaum Entlastung, für Kaufwillige bleibt Wohneigentum ein kostspieliges Unterfangen – ein „Wunschtraum für viele Normalverdiener“. Dennoch gibt es Lichtblicke: 2024/2025 stabilisierten sich die Marktbedingungen etwas, die Zinsen sind moderat gesunken und die Verkaufsaktivität zog wieder an. Der Preisrückgang scheint vorerst gestoppt, die große Immobilienblase ist ausgeblieben. Die Region Berlin-Brandenburg bleibt attraktiv, die Bevölkerung wächst weiter, und die Wohnraum-Nachfrage bleibt hoch. Mittelfristig könnte dies wieder für Aufwärtstrends sorgen – vorausgesetzt, es gelingt, das Bauen zu beleben. Politik und Branche stehen vor der Aufgabe, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht, ohne private Akteure zu überfordern. Ob Bauturbo-Gesetze, Förderdarlehen und Abschreibungshilfen den gewünschten Effekt bringen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Klar ist: Die „Party“ am Immobilienmarkt ist vorerst vorbei, und es braucht neue Ideen und Kooperation, damit Berlin und Brandenburg auch in Zukunft ausreichend Wohnraum für alle Einkommensklassen bieten können. Nur dann wird sich der Immobilienmarkt der Hauptstadtregion nachhaltig aus der aktuellen Krise lösen.
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